Politischer Extremismus
Holocaustleugnung
Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 JMStV sind Angebote unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit unzulässig, wenn sie:
„eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, leugnen oder verharmlosen,“ (Alt. 1)
Dieser Tatbestand erklärt vor allem die Verbreitung von Inhalten für unzulässig, die den Holocaust leugnen oder bagatellisieren. Dies wird allgemein als das Verbot der Auschwitzlüge bezeichnet. Voraussetzung dafür ist zunächst das Leugnen oder Verharmlosen einer NS-Völkermordhandlung.
„Leugnen“ ist das Bestreiten, Inabredestellen oder Verneinen einer NS-Völkermordtat. Es muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch in verklausulierter Form geschehen, wenn darin die wahren Absichten eindeutig zum Ausdruck kommen. Unter den Begriff des Leugnens fällt z. B. die Bezeichnung des Völkermordes als „Lügengeschichte“ oder „Erfindung“. Ein Inzweifelziehen oder Hinterfragen kann im Einzelfall als verklausuliertes Inabredestellen anzusehen sein, wenn es sich beispielsweise bei der in Bezug genommenen konkreten NS-Völkermordtat um einen als offenkundige geschichtliche Tatsache anerkannten Sachverhalt handelt, was insbesondere bei dem NS-Völkermord an den Juden von 1941 bis 1945 der Fall ist.
„Verharmlosen“ ist sowohl das Herunterspielen des Völkermordes in tatsächlicher Hinsicht als auch das Bagatellisieren oder Relativieren des Völkermordes in seinem Unwertgehalt. Ein Verharmlosen liegt danach bei der Behauptung vor, „die Zahl der ermordeten Juden liege allenfalls bei einer Million“ oder „es habe jedenfalls die massenhaften Gaskammer-Morde nicht gegeben“. Ebenso bei der Äußerung, „der Massenmord an den Juden sei doch nicht so schlimm, wenn man bedenke, wie viele Menschen insgesamt umgekommen sind“. Ein Verharmlosen liegt ebenfalls vor, wenn für den Völkermord angebliche „Rechtfertigungsgründe“ oder rassenpolitische „Notwendigkeiten“ ins Feld geführt werden. Eine Relativierung oder Verharmlosung kann auch durch das Vergleichen von Geschehnissen mit dem Holocaust gegeben sein.
Zusätzlich erfordert § 130 StGB, dass das Verbreiten der Inhalte in einer zur Störung des öffentlichen Friedens geeigneten Weise geschieht. Für die Erfüllung des Tatbestandes nach § 130 Abs. 3 StGB muss eine Eignung zur Friedensstörung gegeben sein und für § 130 Abs. 4 StGB muss eine bereits eingetretene Friedensstörung vorliegen. Der öffentliche Friede ist gestört, wenn offene oder latente Gewaltpotenziale geschaffen werden, wenn ein Zusammenleben ohne Furcht um Leib oder Leben nicht mehr möglich ist, wenn das Vertrauen des angegriffenen Bevölkerungsteiles in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert ist. Eine Störung des öffentlichen Friedens liegt aber auch dann vor, wenn das öffentliche Klima dadurch vergiftet wird, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt werden oder ihnen ihr Geltungswert abgesprochen wird.
Eine konkrete Gefährdung des öffentlichen Friedens muss nicht gegeben sein. Es reicht die konkrete Eignung zur Friedensstörung aus. Eine Äußerung muss nach Inhalt, Art und konkreten Umständen so beschaffen sein, dass sie die Besorgnis rechtfertigt, es werde zu einer Friedensstörung kommen.
- „oder den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stören, dass die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt wird,“ (Alt. 2)
Billigen meint dabei gutheißen der nationalsozialistischen Gewalt – und Willkürherrschaft. Die Billigung muss nicht in der Form vorbehaltloser Zustimmung geäußert werden; eine Darstellung als „bedauerlich, aber unvermeidlich“ reicht aus.
Verherrlichen meint das Berühmen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft als etwas Großartiges, Imponierendes oder Heldenhaftes.
Rechtfertigen verlangt das Darstellen bzw. Verteidigen der die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft kennzeichnenden Verletzungen der Menschenrechte als „notwendige Härte“, als „erforderlich“ oder als „unvermeidlich“.
Die Tathandlung muss in einer Weise begangen werden, welche die Würde der Opfer verletzt.
Billligen, Verherrlichen oder Rechtfertigen stellen grundsätzlich eine Störung des öffentlichen Friedens dar.
