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Kriterien für die Aufsicht im Rundfunk und in den Telemedien /

Politischer Extremismus – Die Sozialadäquanzklausel

Politischer Extremismus

Die Sozialadäquanzklausel

Alle unter den Punkten 1 bis 4 (1. Propagandamittel, 2. Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, 3. Volksverhetzung, 4. Holocaustleugnung) genannten Tatbestände sind nach den entsprechenden Vorschriften des Strafgesetzbuches nicht einschlägig, wenn eine Verbreitung dieser Inhalte oder das Zugänglichmachen derselben von einem adäquaten sozialen Zweck getragen ist. Der § 4 Abs. 1 S. 2 JMStV enthält einen entsprechenden Verweis auf § 131 Abs. 2 StGB und § 86 StGB, wobei hier noch auf § 86 Abs. 3 (aF) statt Abs. 4 StGB verwiesen wird.

Nach § 86 Absatz 3 StGB ist z. B. eine Verbreitung zulässig, 

„wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.“

Unter dem Begriff der Sozialadäquanz werden übliche, von der Allgemeinheit gebilligte und daher in strafrechtlicher Hinsicht im sozialen Leben gänzlich unverdächtige Handlungen verstanden. Dies erfordert, dass der inkriminierte Inhalt einem der privilegierten Zwecke dienen muss. Ein solcher anerkennender Zweck liegt z. B. vor, wenn solche Inhalte wie die oben genannten in einem pädagogischen Kontext auf einer Website zur staatsbürgerlichen Aufklärung präsentiert werden (so auch bei der Darstellung von verfassungsfeindlichen Symbolen auf der Website des Verfassungsschutzes). Aber auch das Präsentieren von Hakenkreuz-Symbolen und anderen NS-Emblemen im Rahmen von Spielfilmen und Dokumentationen über die NS-Zeit ist zulässig, sofern dies nicht zu Propagandazwecken erfolgt. Das gilt auch für satirische Beiträge oder Karikaturen, sofern es nicht unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit erfolgt. 

Die Bewertung kann nur im Rahmen einer Gesamtschau des kompletten Angebotes überprüft werden. Eine nur unter dem Deckmantel von Wissenschaft, Lehre oder Kunst betriebene Werbung für eine verbotene Organisation ist nicht geschützt. Die bloße Aussage, eine Website oder ein Film diene der staatsbürgerlichen Aufklärung oder unterliege der Kunstfreiheit, ohne dass sich dies konkret aus der Gesamtbetrachtung des Werkes ergibt, kann deshalb nie ausreichend zur Verneinung der Tatbestandsvoraussetzungen sein.