Medien- und Informationsfreiheit
Verletzung der Menschenwürde
Im Zentrum der Prüfung steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung der Menschenwürde angenommen werden kann. Hierzu wurden Fallgruppen entwickelt, die bei der Normauslegung herangezogen werden können.
Protagonistenschutz
Der Protagonistenschutz erfasst den Schutz der Menschenwürde in Bezug auf die konkret in einem Angebot dargestellten Personen. Für Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Protagonistenschutzes kann auf die sogenannte „Objektformel“ zugrückgegriffen werden. Erforderlich ist mithin die Leugnung des fundamentalen Wert- und Achtungsanspruchs, der jedem Menschen zukommt. Entscheidend ist hierbei der Gesamteindruck des Angebots aus Sicht eines objektiven Rezipienten. Der Würdeschutz eines Menschen endet nicht mit dem Tod, sondern setzt sich auch nach diesem fort. Einzubeziehen ist hier auch, ob sich der Protagonist im Sinne eines Gebrauchs der Menschenwürde als Ausdruck der individuellen Selbstbestimmung mit der Darstellung einverstanden erklärt. Voraussetzung ist eine selbstautonome Entscheidung in Kenntnis aller erheblichen Umstände unter Berücksichtigung der Einsichtsfähigkeit des Betroffenen. Entscheidend im Rahmen des Protagonistenschutzes ist zudem auch die Identifizierbarkeit der dargestellten Person. So kann eine in einem Angebot bereits nicht identifizierbare Person durch dessen Inhalte von vornherein nicht in dem ihr individuell zukommenden allgemeinen Achtungsanspruch verletzt sein.
Rezipientenschutz
Eine Verletzung der Menschenwürde unter dem Aspekt des Rezipientenschutzes kommt nur dann in Betracht, wenn Rezipienten unfreiwillig mit medialen Angeboten konfrontiert werden, deren Rezeption sie derart beeinträchtigt, dass dies die Qualität einer Menschenwürdeverletzung besitzt. Erforderlich ist demnach die Feststellung einer gewissen Verletzungsintensität. Zu beachten ist bei diesem Aspekt, dass der Rezipient in der Regel die Möglichkeit des Kontaktes mit Angebotsinhalten durch die aktive Nutzung des Endgerätes oder des Internetbrowsers selbst setzt und damit grundsätzlich durch sein freies Handeln bewusst eine Konfrontation mit dem Angebot herbeiführt. Diese Rezeptionsautonomie kann aber dadurch beeinträchtigt werden, dass es dem Rezipienten etwa durch bewusst falsche oder irreführende Angaben über den tatsächlichen Inhalt eines Angebots nicht möglich ist, eine selbstbestimmte Rezeptionsentscheidung zu treffen.
Objektive Schutzdimension
Ein Verstoß unter dem Aspekt der objektiven Schutzdimension liegt vor, wenn ein Angebot ein Menschenbild vermittelt, das dem Bild eines selbstbestimmten, in seinem personalen Eigenwert geschützten Menschen zuwiderläuft. Auch im Rahmen der objektiven Schutzdimension ist für deren Verletzung eine bestimmte Verletzungsintensität erforderlich. Erforderlich ist hierbei die nachhaltige Vermittlung des o.g. Menschenbildes durch das Angebot. Diese kann insbesondere im Fall einer wiederholten bzw. systematischen Missachtung des von Art. 1 Abs. 1 GG zugrundgelegten Menschenbildes bejaht werden. Daher sind insbesondere das Angebotsformat bzw. dessen konzeptionelle Ausrichtung einzubeziehen. Auch fiktionale Inhalte können unter dem Aspekt der objektiven Schutzdimension gegen die Menschenwürde verstoßen. Eine Verletzung der Menschenwürde bei fiktionalen Inhalten kommt dann in Betracht, wenn die jeweiligen Inhalte darauf angelegt sind, eine Einstellung zu erzeugen oder zu verstärken, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt.