Weiter zum Inhalt
Kriterien für die Aufsicht im Rundfunk und in den Telemedien /

Medien- und Informationsfreiheit – Umfassende Gesamtabwägung

Medien- und Informationsfreiheit

Umfassende Gesamtabwägung 

Auf Grundlage der Ermittlung und Gewichtung der Belange von Jugendschutz einerseits und den Gewährleistungen aus Art. 5 Abs. 1 GG andererseits, ist dann im Rahmen von § 5 Abs. 6 JMStV abschließend eine umfassende Einzelfallabwägung vorzunehmen.

Ausgangspunkt ist hierbei eine Bewertung dahingehend, ob die Gewährleistungen aus Art. 5 Abs. 1 GG auf Seiten von Anbieter und Rezipienten gegenüber den Belangen des Jugendschutzes im jeweiligen Einzelfall ein derartiges Gewicht besitzen, die eine Abweichung von den Verbreitungsbeschränkungen des § 5 Abs. 1 JMStV rechtfertigen. Ein „berechtigtes Interesse“ ist dann abzulehnen, wenn die entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte des jeweiligen Angebots über das durch den Informationszweck gebotene Maß hinausgehen. Als Leitlinie für die Gesamtabwägung kann dabei die Frage dienen, ob bei Hinwegdenken der entwicklungsbeeinträchtigenden Elemente eines Angebots wesentliche Bestandteile einer Information fehlen würden, sodass das Informationsinteresse der Allgemeinheit nicht unerheblich beeinträchtigt wäre. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Prüfung des „berechtigten Interesses“ ist der Zeitpunkt der Angebotsverbreitung. 

Für die Gesamtabwägung können folgende Kriterien herangezogen werden:

Umfang der relevanten Inhalte

Einzubeziehen ist der Umfang, den die jugendschutzrelevanten Inhalte im jeweiligen Angebot einnehmen. Von einer rein quantitativen Betrachtung ist jedoch abzusehen. Es hängt entscheidend vom Gegenstand der Berichterstattung ab, in welchem Umfang jugendschutzrelevante Inhalte gezeigt werden dürfen, um das Geschehen für den Rezipienten zugänglich und damit verständlich zu machen. 

Einbindung/Kontextualisierung der relevanten Inhalte

Als weiteres Kriterium kann dienen, in welchen Kontext im jeweiligen Einzelfall der jugendschutzrelevante Inhalt innerhalb des Angebots eingebunden wird. In die Beurteilung ist auch miteinzubeziehen, ob die Einbindung der jugendschutzrelevanten Inhalte gerade die Kerninhalte/- aussage eines Angebots unterstreicht. Problematisch sind hingegen etwa Fälle, in denen die jugendschutzrelevanten Inhalte in keinem thematischen Zusammenhang zu den übrigen Angebotsinhalten stehen. 

Darstellungs- bzw. Berichterstattungsform 

Wie bereits der Wortlaut des § 5 Abs. 6 JMStV zeigt, muss insbesondere die konkrete Darstellungs- bzw. Berichterstattungsform im Rahmen des Angebots in die Gesamtabwägung einbezogen werden.

Ein „berechtigtes Interesse“ ist jedenfalls dann abzulehnen, wenn der jeweilige Inhalt in „reißerischer Form“ dargestellt wird, wenn also ein Angebot ausschließlich oder überwiegend voyeuristische Interessen der Rezipienten befriedigen soll und nur noch am Rande der Information über ein bestimmtes Ereignis oder Geschehen dient. Um dies zu beantworten, kann vor allem auf die konkrete Gestaltung, den Einsatz gestalterischer Mittel auf Bild- und/oder Tonebene sowie die Platzierung der jugendschutzrelevanten Inhalte innerhalb des Angebots abgestellt werden. Gestalterische Mittel wie etwa Zeitlupen, Großansichten oder Wiederholungen können einerseits helfen, das Ursprungsmaterial derart aufzuarbeiten, dass für den Rezipienten das jeweilige Geschehen erst zugänglich gemacht und damit verständlich gemacht wird. Andererseits können diese aber auch dazu beitragen, dass das Angebot nicht mehr das Informationsinteresse, sondern überwiegend voyeuristische Rezipientenbedürfnisse bedient.