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Kriterien für die Aufsicht im Rundfunk und in den Telemedien /

Medien- und Informationsfreiheit – Entwicklungsbeeinträchtigung

Medien- und Informationsfreiheit

Entwicklungsbeeinträchtigung

Sofern Anbieter Angebote, die hinsichtlich ihrer jugendgefährdenden Wirkung zwar unterhalb der Schwelle des § 4 JMStV liegen, aber dennoch geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie nach § 5 Abs. 1 JMStV grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen. 

Diese Verpflichtung besteht nach § 5 Abs. 6 JMStV dann nicht, wenn es sich bei dem Angebot um Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen im Rundfunk und vergleichbare Angebote bei Telemedien handelt, es sei denn, es besteht kein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung. Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 6 JMStV ist nicht eröffnet, sofern Inhalte als bewusst oder evident unwahre Tatsachenbehauptungen einzuordnen sind.

Die Verbreitung und Zugänglichmachung entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte in diesen Angeboten kann also im Einzelfall geboten sein, um dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

Bei Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen im Rundfunk und vergleichbaren Angebote bei Telemedien muss also eine Abwägung im Lichte der Berichterstattungs- bzw. Informationsfreiheit mit Blick auf die entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung des Angebotes stattfinden. 

Die Frage, ob bei einem vorliegenden Angebot eine Privilegierung im Sinne des § 5 Abs. 6 JMStV geltend gemacht werden kann, ist anhand folgender Prüfungsschritte zu klären. 

Liegt ein entwicklungsbeeinträchtigendes Angebot vor?

In einem ersten Schritt ist zu bewerten, ob das fragliche Angebot entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte enthält. Bei unzulässigen Angeboten greift die Vorschrift des § 5 Abs. 6 JMStV nicht.

Sachliche Darstellung: Auch dokumentarisch nüchterne Schilderungen bzw. sachliche Darstellungen können eine hohe entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder entfalten und zwar insbesondere wenn die dargestellten Ereignisse und Personen realitätsnah sind und eine gewisse Nähe zur Lebenswirklichkeit der Kinder aufweisen (siehe “Wirkungsfaktoren”).

Kognitive Verarbeitungsmöglichkeiten: Anders als Erwachsenen fällt es Kindern zudem schwer, Nachrichten kognitiv zu verarbeiten, so dass Bilder die Wahrnehmung der Kinder beherrschen und keine ausreichende rationale Distanzierung zu drastischen Bildern stattfinden kann. Dies kann die Gefahr erhöhen, dass sich die gesehenen Bilder in das Gedächtnis des Kindes „einbrennen“ und es nachhaltig ängstigen und verstören.

Handelt es sich um eine Nachrichtensendung oder um eine Sendung zum politischen Zeitgeschehen?

In einem zweiten Schritt ist zu entscheiden, ob es sich bei dem zu prüfenden Angebot um eine Nachrichtensendung oder um eine Sendung zum politischen Zeitgeschehen bzw. im Falle der Telemedien um ein mit diesen Rundfunksendungen vergleichbares Angebot handelt.

Nachrichtensendung: Nachrichtensendungen sind um Objektivität bemühte nicht-fiktionale Formate, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Unterrichtung über tagesaktuelles gesamtgesellschaftlich relevantes Geschehen ist. Sie dienen vorrangig der Information und Meinungsbildung der Bevölkerung.

Zu prüfende Kriterien für das Vorliegen einer Nachricht sind insbesondere Neuigkeit, Tagesaktualität, Wichtigkeit, Bedeutung, Informationsgehalt, Aufbau (kurz gehaltener Sachbeitrag) und Nicht-Fiktionalität.

Sendung zum politischen Zeitgeschehen: Sendungen zum politischen Zeitgeschehen sind um Objektivität bemühte nicht-fiktionale Formate, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Unterrichtung über aktuelles und gegenwärtiges relevantes politisches Geschehen ist. Sie dienen vorrangig der Information und Meinungsbildung der Bevölkerung.

Zu prüfende Kriterien für das Vorliegen einer Sendung zum politischen Zeitgeschehen sind insbesondere Aktualität bzw. Gegenwärtigkeit des Geschehens, ein relevantes politisches Geschehen und Nicht-Fiktionalität.

Angebote mit einem nur am Rande politischen oder gesamtgesellschaftlichen Bezug (z. B. Boulevard-Beiträge, Infotainment-Sendungen), gelten nicht als Sendungen zum politischen Zeitgeschehen und fallen somit nicht unter § 5 Abs. 6 JMStV.

Besteht kein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung?

Ferner ist zu klären, ob im vorliegenden Fall ausnahmsweise kein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung besteht (s. „Berechtigtes Interesse“).